Ein Spaziergang gegen das Vergessen: Mit einem kleinen Wörterbuch für den Tschiernock-Hang
Eine Kapelle mit Schindeldach, links daneben ein Gebäude und davor ein Krautgarten.
Ulrike Mengeú

Ein Spaziergang gegen das Vergessen: Mit einem kleinen Wörterbuch für den Tschiernock-Hang

Auf dem vorerst letzten Spaziergang durch die Flurnamen der Stadtgemeinde Gmünds wechseln wir über die Lieser auf den Abhang des Tschiernocks (2088 m). Diesmal interessiert der Bereich zwischen dem Platzgraben und dem Bergausläufer entlang des Nöringgrabens südlich Gmünds. Frido Kordon überliefert uns auf seiner händisch gezeichneten Karte einige Namen, die kein Kartenwerk zeigen wie z. B. den Landfraßgraben als Schrottengraben. Auf dem Nord-Süd gerichteten Ausläufer des Tschiernocks vermerkt er neben dem Rest (1425 m) und dem Gaiszipf (1568 m) noch das Brauseck (1816 m). Der westliche Bergausläufer liegt mit seinem Schlöfkogel bereits außerhalb der Stadtgemeinde Gmünd. Dieser landete von seiner Mundart befreit als Schlafkogel aber auch Schlafkopf (1684 m) in den Kartenwerken. Zu dessen Füßen befinden sich Trasischk und Treffling. Die linksseitigen Hänge der Lieser (KG Landfraß und KG Puchreit) gehören noch nicht lange zur heutigen Stadtgemeinde Gmünd. Anfangs zinsten dort die meisten Huben an das Kloster Millstatt, gingen aber nach Auflösung des Jesuitenordens (1773) in die staatliche Verwaltung über. Das ehemals namengebende Puchreit im Osten Gmünds liegt bereits über die Kuppe des Rests hinweg im Nöringgraben. Erst 1958 fiel der entsprechende Teil der KG Puchreit an die Stadtgemeinde Gmünd, der Rest blieb bei der Gemeinde Krems.

Eine geographische Karte ohne Höhenlinien
Frido Kordon / Stadtarchiv Gmünd in Kärnten

Ausschnitt aus einer Karte, die Frido Kordon für den seinerzeitigen Fremdenverkehrsführer gezeichnet und entworfen hat. Maßstab 1:37.500

Den aufgerissenen Graben vom Tschiernock herab überlagert Kordon mit dem Flurnamen Schrottengraben. Laut Pohl könnte es sich bei Schrott um einen mundartlichen Ausdruck für eine felsige, unwegsame Gegend handeln, einem Boden, aus dem Steine herausragen. Was jedoch um Landfraß eher nicht charakteristisch ist. Ein zweites Kärntner Schrott stammt aus dem ebenfalls mundartlichen Schrat = Waldgeist, Kobold. Die steirische Flurnamenforschung verweist bei Schrott auf einen bairischen Rodungsnamen, mhd. auch schrôt, wovon auch Kranzmayer ausgeht. Im Althochdeutschen stand scrotan für schneiden – es könnte ebenso auf einen Einschnitt im Gelände verweisen, der offensichtlich die hervorstechendste Eigenschaft des dortigen Geländes beschreiben würde. In Norddeutschland fließt die Schrote in einem Talabschnitt mit steil aufragenden Hängen, dort mit getreu überliefertem gedehnten ō. Namen drehten sich viele Generationen im Munde herum und passten sich dadurch dem jeweiligen Sprachgebrauch an … Auch eine verschriftlichte Variante fängt das jeweilige Wort nur zum gegebenen Zeitpunkt ein: Manches wird sich nicht mehr klären lassen, denn das Volk bewahrte seine Überlieferungen als auch viele Bergnamen oder Flurnamen stets mündlich. Das Schreiben war vorwiegend Sache der Klöster und späterhin der oberen Schicht, die beide wiederum nicht überall in den Volksmund eingeweiht waren. Noch hat sich keine alte Aufzeichnung dieses Flurnamens finden lassen.

Die Grenze der heutigen Stadtgemeinde Gmünd wandert im Osten Gmünds entlang der Kuppe des Tschiernock-Ausläufers bis zu seinem Gipfel hinauf. Von dort geht es wieder bergabwärts in den Platzgraben. Im Tal angekommen legt sich die Gemeindegrenze in die Lieser. Dort schwimmt sie nordwärts bis vor die Trabuschge, die mit der Drawuschken im heutigen Gewerbegebiet der Nachbargemeinde Trebesing ihren Namenszwilling hat. Noch vor dem Stadtwerk Gmünd steigt sie aus dem Wasser und klettert über den „Langen Bichl“ ein Stück den Hattenberg hinauf, in die obere Leiten (= Wiesenhang), wo sie sich dann auf Feldwegen wieder nordwärts richtet.

Laut Pohl soll sich der Name des Tschiernocks zu sl. ker-/čer– = „Stein, Fels“ stellen. Die Wortauslegung zum Felsigen stellt sich zum benachbarten Palfennock: Palfen/Balfen = überhängende, hervorspringende Felswand oder Felshöhle bis hin zu Fels/Felszacke. Das benachbarte Tschierweg analysiert er jedoch zu sl. črv = „Wurm“, war es doch ein ursprüngliches Tschwierweg. Dies sei im Sinne von „roter Farbstoff“ zu verstehen. „Rötlich wie ein Wurm“ entstammt der slawischen Sprachfamilie, im Deutschen bleibt „rot wie Blut“ jedenfalls gängiger. Die nahe „Blutige Alm“ zeugt von dieser Namengebung nach dem rötlichen Almrausch. Ob dieser „Wurm“ möglicherweise dem altbairischen Wort für einen Drachen gleichzustellen wäre und damit einen Rest der mythologischen Bergnamengebung der alten Slawen bewahrt – mit dem sich wiederum die Slawistik beschäftigt – bleibt offen. Wir wissen es nicht – die ihm zu Füßen liegende Dobra/Dombra (Pohl: sl. dǫbrava = Waldung, Hain) wäre ein Indiz.

Nun beschränkt die Lieser von jeher den Zugang auf die südlichen Hänge – auf diese Art lieferten Brückenübergänge stets Kontrollmöglichkeiten. In die Rückschau auf die diversen Lieser-Übergänge gehört auch die Auswirkung möglicher Hochwasser-Katastrophen auf Brücken. Aufzeichnungen über solcherart Wetterkapriolen setzen erst in der Neuzeit ein und werden bis dorthin nur sehr lückenhaft erwähnt. Eine Brücke Richtung Griess ist in Verlängerung des Pongratzen-Stadttors zu sehen. Dementsprechend zeigt sie auch die Josefinische Landesaufnahme (1763–1787). Eine zweite Brücke inklusive einer Kreuzung von Fußwegen setzt sie östlich des ehemaligen Galgenbichls. Etwa hundert Jahre später deutet die Franziszeische Landesaufnahme (1806–1869) in Höhe des Kreuzbichls einen Übergang bei der zweigeteilten Kirche an. Den Galgenbichl mied man inzwischen offensichtlich, früher musste man dort vorbei. Die öffentlichen Hinrichtungen waren damals bereits verschwunden, niemand mochte an diese Abschreckungsmethoden erinnert werden. Einst zog die Lieser bei beiden Bichlvorsprüngen eine deutliche Schleife. Durch die Abtragung des Galgenbichls wurde der Fluss begradigt. Sein Material versteckt sich heute in der Karnerau.

Als der Gang zu Fuß dem Menschen vorgegeben war, kümmerte man sich kaum um die Steigung. Im Vordergrund stand die Kürze der Gehzeit. So zogen sich auch in der Region die Fußwege fast schnurgerade in die Höhe, einer Richtung Oberbuch und ein anderer westlich davon über den Grüblerbauern Richtung Unterbuch. Wenn sich ein Weg einmal eingelaufen hatte, dann wurde er in der Regel beharrlich beibehalten. Die breiteren, mit Karren befahrbaren Wege ließen in der Regel die Grundherren errichten. Im Mittelalter handelte es sich dabei in der Hauptsache um das Stift Millstatt. Bereits dieser Umstand belegt, wie groß der Bewegungsradius Richtung See war. Der Transport aus dem Sammelamt/Hof Puch Richtung See benötigte einen entsprechenden Fahrweg, der den Landfraßbach beim ehemaligen Probsthof überwand. Wir lassen diesmal Landfraß hinter uns und blicken Richtung Kuppe des Tschiernock-Ausläufers.

Zunächst beschäftigt der Name der ehemaligen Ortsgemeinde Puchreit, deren erste Silbe sich auch in den Ortsnamen Ober-/Unterbuch (einst Niederbuch) wiederholt. Dieses Puch/Buch führt sich auf das ahd. puoch/buohha (8. Jahrhundert), mhd. puoch/buoche zurück. Das bairische buech stand allgemein sowohl für die Buche als auch für den (Buchen)Wald. Dieser Baum wäre nicht namengebend, wenn die Buchen nicht dermaßen hervorstechend gewesen wären. Die erste urkundliche Nennung von (Ober)Buch belegt sich als „curiam que Bunch dicitur, cum capella“ in einer päpstlichen Urkunde aus 1177, die den Schutz des Papstes aus 1122 bestätigt. Der auf die romanische Sprache spezialisierte Schreiber in Venedig hatte wohl wenig Berührung mit dem Mittelhochdeutschen. Dies ist bereits ein gutes Beispiel, wie anno dazumal die Namen aufgeschrieben wurden: nämlich so, wie der Schreiber das Gehörte wahrgenommen hatte. Das curia deutet auf die grundherrschaftliche Verwaltung durch einen (kirchlichen) Amtshof.

1981 verwies Dr. Ogris auf eine Mitteilung des Gmünder Bürgers Albrecht Heutnicht aus 1334. Diese überliefert eine „peunten pei Gemuende … unter dem Bukkanik“. Dies bleibt ein interessanter Hinweis auf die regionale Verquickung des altbairischen „Puoch“ mit (früh)slowenischer Sprache. Das slowenisch mundartliche bukve = Bücher läuft hier parallel dem Bukovnik für einen meist dem Bauernstand angehörigen Autodidakten, der sich vor der Einrichtung der Schulen selbst das Lesen und Schreiben beigebracht hatte. In der Forschung vermutet man für diese frühe Zeitspanne eine Art bäuerlichen Amtmann, der vor der Schaffung der offiziellen Amtsmänner Verwaltungsaufgaben zu übernehmen hatte. Dieses Amt Buch hatte Abgaben aus 31 verschiedenen Katastralgemeinden (!) in Oberkärnten einzusammeln, darunter auch Gmünd und Hattenberg, bis hin zu Zelsach, Penk im Mölltal und z. B. Weissensee oder auch Irschen. Die Abgabenlast der Bauern war drückend. In Buchgereut, das dem mündlich überlieferten Puchreit im Nöringgraben im Millstätter Urbar des 15. Jahrhunderts entspricht, ist auch ein Jagdrecht fürs Millstätter Kloster vermerkt. Ein anderes hat im Abschluss des Landfraßgrabens als „Pistumers Jagahüttl“ in der Höhe überlebt.

Ulrike Mengeú
In Augenhöhe mit Kreuschlach verschwindet die Lieserschlucht zwischen den beiden Hängen.
Dort zinsten die Bauern zunächst an Brixen, bevor das Erzbistum Salzburg hier Fuß fasste.

Das Kloster in Millstatt wurde um 1070/77 von den beiden Brüdern Aribo und Potho aus der bayerischen Pfalzgrafenfamilie gegründet und wie üblich von den Zeitgenossen reich bestiftet. Dass die Gründungsurkunde verschwunden ist, ist möglicherweise auf den Brand unmittelbar vor 1122 zurückzuführen. Gleichzeitig mit dem Wiederaufbau des bisherigen Eigenklosters Millstatt stellten die Erben der Stifter (Görzer Grafen) das Kloster unter den Schutz des Papstes. Sie behielten nur mehr die Vogtei. So unterstanden die Untertanen dem Kloster als Grundherrn und dem jeweiligen Vogt als Richter. Bis 1469 kümmerten sich in der Folge die Millstätter Benediktiner um die weitere Urbarmachung ihrer Grundbesitzungen. Noch Mitte des 15. Jahrhunderts verzeichnet das erste Millstätter Urbar nur spärliche Rodungen: in Oberbuch fünf Huben und einen Amthof, in Unterbuch – damals noch Niederbuch – sechs Huben. Drei Huben blieben davon ausgenommen: der Grüblerhof zinste an die Pfarrkirche in Lieseregg, der Mailänderhof und der Jakobbauer unterstanden den Ortenburger Grafen. Die Klosterherren wechselten zunächst zum St.-Georgs-Ritterorden und 1598 zu den Jesuiten. Wie bereits erwähnt wurde der Orden 1773 von Kaiserin Maria Theresia aufgehoben, die verbliebenen Güter als Staatsgut verwaltet.

Das mündlich überlieferte Reit des Namens Puchreit stellt laut Kranzmayer einen in Kärnten nicht üblichen Rodungsbegriff, der eher auf nördlich gelegeneren Ursprung verweist. Gehäuft findet sich dieses altbairische riutten in Oberösterreich oder Niederösterreich als Reit. Südlich der Hohen Tauern bevorzugte man üblicherweise Raut oder Geräut. So hat auch der Schreiber des 15. Jahrhunderts in Millstatts Urbar Puchreit in ein Buchgereut verwandelt. Dieses Reit markiert damit den ältesten Namentypus bayerischer Rodungsaufträge (10.–12.  Jahrhundert). Als Kulturerbe bewahrt es die Erinnerung an die einst in der Region wirkenden altbayerischenGrundherren. Vor allem handelte es sich dabei um die gründlichste Art des Rodens, denn die Wurzelstöcke wurden dabei ausgegraben. Auf diese Weise bleibt der hochmittelalterliche Rodungsauftrag der alten Bayern als Kulturerbe untrennbar mit der regionalen Landschaft verkettet.

Der Stadthistoriker Anton Fritz bearbeitete bereits in den Stadtnachrichten aus April 2017 das Josephinische Flurbuch Puchreit als Ergänzung zum Vortrag aus 2016 von Hofrat Dr. Ogris. Er verwies darin auf die alte Einteilung der Gemeinde in 14 „Riede“. Das Ried stellt zunächst grundsätzlich eine Nebenform zu reute dar und wurde für einen von Holzwuchs gereinigten Platz verwendet, bezog sich demnach ebenfalls auf die Rodung. Die Rechtssprache überliefert als Zweitverwendung von Ried ein für die Viehweide gerodetes Waldstück. Hiermit landet man wieder beim „Fraß“ und dem regionalen Landfraß. Mehrere Rodungsinseln zeigen sich übersichtlich im Franziszeischen Kataster, der vom Kärntner Landesarchiv über die Kärntner kagis.maps für jeden digital einsichtig ist. Somit sammelt sich auf den Tschiernockhängen eine mehrsprachige Sammlung von Rodungsnamen, denn über die Lasskeusche überlebt auch das sl. *laz = Gereute.

Oberbuch wird bei seiner Erstnennung bereits mit einer capella erwähnt. Die im Volksmund als Hoferkapelle bezeichnete kleine Landkirche mit dem Patrozinium der Magdalena stellt sich zum Magdalensbründl, das Frido Kordon an der Lieser gegenüber dem Galgenbichl zeigt. Die Kombination eines „Hofer“ in Oberbuch interpretiert das Kärntner Landesarchiv als frühen Verweis auf einen ursprünglich zentralen Wirtschaftshof, der in der Folge in mehrere Huben aufgeteilt wurde. Ähnlich diesem ehemaligen Amthof in Oberbuch zeigt sich auch der Mailänderhof im Franziszeischen Kataster mit einem gemauerten Wohnhaus. Nach und nach verwandelten sich immer mehr Bauernhäuser in gemauerte Gebäude, man zog vielfach die Feuersicherheit vor, trotz besseren Wärmehaushalts gezimmerter Bauten.

© Reinhard Kager, Millstatt
Das Ensemble Oberbuch beeindruckt durch das Überleben uralter Dorfstruktur.
Jeder Schritt wird begleitet durch den Atem der Geschichte.

Die einst ausgedehnten (Buchen)Wälder fielen neben der Urbarmachung für Siedlungsbedarf vor allem der Holzkohlenherstellung des Bergbaus zum Opfer – in anderen Regionen auch für Glashütten. Eine letzte Erinnerung an diese verschwundenen Urwälder Österreichs vermittelt das Wildnisgebiet Dürrenstein in Niederösterreich mit seinen 400 bis 500 Jahre alten Buchen, das seit 2017 sogar ein Unesco-Weltnaturerbe verkörpert. In der Stadtgemeinde Gmünd sammelt sich an den Tschiernockhängen hingegen eine ganze Sammlung unterschiedlichster Rodungsnamen aus den verschiedenen Siedlungsschichten. Die Region Lieser-/Maltatal nimmt zwar nicht über die alten Buchenwälder, aber immerhin über die mündliche Tradition (früh)slowenischer Hof- und Flurnamen an einem Unesco-Weltkulturerbe Anteil. Einige Flurnamen müssen bisher jedoch offenbleiben und stellen Forschungsfragen dar.

FlurnameSprachwurzelBedeutung
Brauseckmhd. brûsen = brausen durch den WindAnhöhe mit viel Wind
Egartl
davon auch Egarter
Gartl + Vorsilbe „E“ = ehemals gepflügte Feldfläche, danach Wiese oder Gehölzvorübergehendes Brachland;
Hinweis auf Dreifelderwirtschaft
Gröfl(acker)sl. groblje = Moräne
ktn. ma. Gröfl: Steinhaufen, Schutt, Ruinen, auch Steinmure
vermutlich auf die gesammelten Steine bei der Flurreinigung zurückzuführen
Grüblerhofdt. von der deutlichen „Grube“ im GeländeNamen nach der Lage im Gelände
Korpitschsl. Grpiče, unklar lt. Pohl vielleicht eine Mulde im Gelände?nach der Lage im Gelände: in der Mulde östlich von Perau
Kray (†)sl. kraj = Ende, Randam Rand von Unterbuch
Lasskeuschesl. *laz = baumlose Stelle, Gereut
sl. *chyša = kleines Haus, Bauern-haus als Viertelhube
Keusche im Gereut;
wobei Wohn- und Wirtschaftsräume in einem Gebäude waren, aber mit getrennten Zugängen
Mailände
Mailänder
mhd. maejen = mähen
ganz nahe liegt das Fraß: neben der Beweidung auch das Mähen für den Fraß der Tiere
Mailant = Mäh- bzw. Heuland

Nachsilbe „-er“: dessen Bewohner
Moosdt. Mo(o)ser = Bewohnerfeuchtes bis mooriges Gebiet
Nöring
1143–47 Norich
sl. nora = Grube, Grotte, HöhleGruben – Bezug auf den Bergbau
Peintn
Peintner = wohnt auf einer Peinte
mhd. biunte/biunde: eingehegtes Grundstück/FeldBeinte = im Mittelalter ein Grundstück mit Recht auf Einfriedung (auch mit Bäumen möglich)
Peitlerbergldt. vom Beruf Beutler:
a) Verarbeitung von feinem Leder (Taschen, Handschuhe etc.)
b) Mehl mit einem Sack sieben
nach einer Berufsbezeichnung
in Platz ist ein Kürschner überliefert
Perau
1264 Berovwe
sl. perav = morschGegend mit morschen Bäumen
(vermutlich durch Schwenden)
Platz
1216 Planez
ma. Planz / später auch Blentz sl. *planecoffene, freie Fläche
Puchreitdt. puoch = Buche oder Wald reit von riutte = Rodung
Waldrodung
Rappenbach
(Bach durch Perau)
ahd. (h)rappo
mhd. rappe = Rabe
Rappe = Pferd so schwarz wie ein Rabe
oder vom Personennamen Rappo
Rabenbach
= Graben zwischen Platzgraben und Landfraßgraben/Schrottengraben
oder: Bach, an dem Rappo wohnt
Schlöfkogel
= Schlafkopf (Franz. Kataster auf kagis.maps)
1. mhd. sliefen/sloufen >
ma. schliefe = ohne Hindernis durchschlüpfen
2. zwischen Tschiernock und Schlafkopf: ein „Knappenstadl“ mit Siebenbrünn
1. im Gelände zeigen sich beidseitig des Kogels flache Übergänge über die Kuppe des Bergausläufers
2. Abschluss des Platzgrabens: Hinweis auf Übernachtung von Knappen in der Höhe (südlich auch „Gruibeln“)
Schrottengraben Graben als Übersetzung für „schrot“?ahd. scrotan: hier evtl. für den Einschnitt des Grabens?
mhd. schrôten = hauen, schneiden
vgl. der/das Schrot bei Grimm
1. Bezug auf das Gelände
2. Bezug auf Holzrodung
3. Eingedeutschter frühslow. Name?
z. B. škrat = Zwerg, Kobold, Waldschrat = vergessener Name
Tschiernock

Tschierweg =
ursprüngl. Tschwierweg
lt. Pohl zu sl. ker-/čer- = Stein, Fels;
Namengebung von der Seeseite aus;

Tsch(w)ierweg von sl. črv = Wurm, lt. Pohl im Sinne von rötlich
etwa Steinnock
wenn dieselbe Wurzel wie Tschierweg,
dann „Wurmberg“ als mögliche mythologische Benennung
(an seinem Fuße Dobra)
Trabuschgesl. trebušikaGelände, das sich wie ein Bauch nach vorne wölbt
Tschroggenbach; stellt sich zum Tschrokner Hof (Franz. Kataster)sl. *črog?= unklar – vielleicht Trog? bekannte Flurnamen für Geländeformen: Kessel, Wiege, Wanne, Schüssel, Truhe oder TrogLage im Gelände?
nordöstlich von Perau in einer Mulde

evtl. auch eine Vorform von schrotten?

Literatur

Wörter- und Namenbücher/Urkunden/Karten

Deutsches Rechtswörterbuch: „Ried“. Band XI, Spalte 1077–1078. Online: drw.hadw-bw.de (besucht am 05.06.2023).

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, Online: woerterbuchnetz.de (besucht am 19.04.2023). Hier auch „Frāß“ = Handlung des Fressens.

Franziszeische Landesaufnahme (ca. ab 1829–1835): Europa im 19. Jahrhundert: „Illyrien“, Online: maps.arcanum.com (besucht am 26.04.2023).

Franziszeischer Kataster (1826), Online: maps.arcanum.com (besucht am 11.06.2023).

Franziszeischer Kataster für Kärnten (1822–1828), Online: gis.ktn.gv.at (besucht am 06.06.2023).

Greule, Albert: Deutsches Gewässernamenbuch. Etymologie der Gewässernamen und der zugehörigen Gebiets-, Siedlungs- und Flurnamen, Berlin/Boston 2014, Voransicht unter books.google.at (besucht am 12.06.2023).

Hohensinner, Karl: Etymologie und Volksetymologie anhand des Ortsnamenbuchs des Landes Oberösterreich, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines, Band 148a (2003), S. 65–115, S. 88, Online: zobodat.at (besucht am 19.04.2023).

Lochner-Hüttenbach, Fritz: Zum Namengut des Frühmittelalters in der Steiermark, in: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark 99 (2008), S. 23–69, Online: historischerverein-stmk.at (besucht am 26.04.2023).

Jaksch, August: Monumenta Historica Ducatus Carinthiae. Band 3: Die Kärntner Geschichtsquellen 811–1202, Klagenfurt 1904, S. 456f., Nr. 1216, Online: ark:/13960/t8tb1dw59.

Josephinische Landesaufnahme (1784-1785) Habsburger Monarchie, Online: maps.arcanum.com (besucht am 26.04.2023).

Koller, Erwin, Werner Wegstein und Norbert Richard Wolf: „brusen“, in: Neuhochdeutscher Index zum mittelhochdeutschen Wortschatz, Stuttgart 1990, S. 77. Online: urn:nbn:de:bvb:20-opus-35530. Siehe auch „schlüpfen“ (S. 356).

Kranzmayer, Eberhard: Ortsnamenbuch von Kärnten. Band I und II. Herausgeber: Geschichtsverein für Kärnten. Klagenfurt 1958. Fotomechanischer Nachdruck aus 2018, z. B. „Trabuschgen“.

Pfeifer, Wolfgang et al.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, hier „Buche“ unter dwds.de bzw. „Rappe“ unter dwds.de. (besucht am 19.04.2023).

Pohl, Heinz-Dieter: „Balfen/Palfen“ unter 1b. Häufige Appellativa, in: Bergnamen in Österreich. Online: uni-klu.ac.at (besucht am 25.04.2023).

Pohl, Heinz-Dieter: „Schrott/Schrottenbach“, in: Kärntner Ortsnamenverzeichnis. Online: members.chello.at (besucht am 20.04.2023).

Pohl, Heinz-Dieter: „Tschiernock“ bzw. „Tschierweg“ in Kärnten/Koroška – 1000 Jahre gemeinsames slowenisches und deutsches Namengut, Klagenfurt 2020. Online: academia.edu (besucht am 25.04.2023).

Pohl, Heinz-Dieter: Die Bergnamen der Hohen Tauern. Nationalpark Hohe Tauern (Hrsg.): OeAV-Dokumente Nr. 6. Innsbruck 2011, S. 88.

Rosar, Anne: „Beutler“, in: Digitales Familiennamenwörterbuch Deutschlands, Online: namenforschung.net (besucht am 05.06.2023).

Quellen

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Eichert, Joachim: Geschichte des Mailänderhofes in Oberbuch 8, Gmünd in Kärnten. Zusammenstellung aus dem Kärntner Landesarchiv: März 2014. Archivalie des Stadtarchivs. Freundlicherweise übergeben durch Familie Borowan, vulgo Mailänder. Hier auch „Mailände“ über Auskunft von Pohl, Heinz-Dieter, S. 6.

Hennig Michl, Eike: Castellum, Curia, Palatium?! Die mittelalterliche Besiedlungsgeschichte eines mainfränkischen Zentralortes auf dem Kapellberg bei Gerolzhofen, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 8. April 2017, Online: mittelalter.hypothesis.org (besucht am 20.04.2023).

Eisler, Robert: Geschichte von Millstatt, 1914. in: Axel Huber (Hrsg.): Festschrift 75 Jahre. Österreichische Bundesforste 1925–2000, Faksimile des Bürstenabzuges 1914, Millstatt 2000.

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Woldron, Ronald: St. Ulrich in Platz – Baugeschichte und archäologischer Befund, in: Franz Nikolasch (Hrsg.): Symposium zur Geschichte von Millstatt und Kärnten 2016, S. 48–52. Online: stiftsmuseum.at (besucht am 04.06.2023).

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Ulrike Mengeú: Ein Spaziergang gegen das Vergessen: Mit einem kleinen Wörterbuch für den Tschiernock-Hang. In: Aus Gmünds vergangenen Tagen, Publikationen Stadtarchiv Gmünd in Kärnten, Juli 2023. Online: ark:/65325/d6009c.

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