Im Mai 2025 wird am Hauptplatz ein zukunftsweisender Schritt vollzogen: Das historische «Lax-Haus» verwandelt sich in ein «Kunsthaus» der Künstlerstadt Gmünd. Die Privatstiftung Künstler:innenstadt Gmünd widmet sich der Zukunft der Stadt Gmünd, das Stadtarchiv ihrer Vergangenheit. So berichtet dieser Artikel aus dem Leben des Lax-Haus-Eigentümers um die Mitte des 19. Jahrhunderts, dem Realitätenbesitzer Josef (II.) Lax. Als junger Mann schreibt er Briefe an seinen Onkel Josef (I.). Sowohl Onkel als auch Neffe Josef bekleiden das Amt des Bürgermeisters der Stadt Gmünd – wenn auch jeweils nur für wenige Jahre. Der beigestellte Ausschnitt aus der bereits im Dezember 2023 vorgestellten Familientafel erinnert an den Hintergrund der beiden gleichnamigen Lax-Männer, die hier miteinander im Briefkontakt waren.
Im Privatarchiv von Karl Lax fanden sich einige Briefe, die im Hause auf dem Hauptplatz überlebt haben. Im Folgenden stellen wir drei Briefe Josefs aus der Reichenauer Bruderlinie der Gmünder Lax-Familie vor. Er schrieb diese in den Jahren 1843/1844 an seinen Gmünder Onkel. Josef (II.) war zum Zeitpunkt der Abfassung seiner Briefe ein junger Mann von 19/20 Jahren. Seine Kindheit verbrachte er in Reichenau. Die Briefe informieren darüber, dass er in einem Alter von etwa fünfzehn Jahren eine zweijährige Ausbildung in einem nicht näher bezeichneten «Stift» in Klagenfurt genoss. Im Anschluss daran besuchte er das «Marianum» in Salzburg. Nachdem er dieses abgeschlossen hatte, wechselte er auf eine Bergakademie in Ungarn. Durch die Unruhen rund um die Revolutionsphase 1848 und danach musste er nach Wien wechseln. Sein damals 67-jähriger Onkel Josef I. verstarb 1849 in Gmünd. Da er keine Nachkommen hatte, vererbte er seine Gmünder Besitzungen an seinen Neffen Josef II. 1850 übernahm dieser sein Erbe und wurde Bürger der Stadt Gmünd.

Im Stadtarchiv hängen die zwei Porträts der beiden Familienmitglieder. Die beiden Original-Ölgemälde aus dem Privatarchiv des Gmünder Chronisten Karl Lax hängen im Stadtarchiv Gmünd. Die drei Briefe datieren aus Oktober 1843, März und April 1844. Transkribiert hat sie Siegfried Lagger.


Brief vom 28.10.1843
Der 19-jährige Josef (II.) an seinen
Onkel Josef (I.) in Gmünd
Theuerster Herr Onkel!
Ihren werthen Brief von 14. d. M. habe ich samt Schulzeugnißen, Briefpapier, Bleystiften, Federn, Siegelwachs und dem Reißzeug richtig erhalten; ich mache dafür meine innigste Danksagung und bitte ferner noch um Ihre Güte. Im Studium geht es mir gut, ich besuche auch die italienischen Vorlesungen, wöchentlich drey Mahl beym Professor Malpaga u. beym Collegiums Praefecten Hrn. Johan Kapfinger. Daß die Collegianten von Marianum nach der Philosophie Stipendien erhalten, sieht man an Müllbauer Joseph von Salzburg, der heuer die achte Schule absolvirt hat, und jetzt mit einem Collegiums-Stipendium in Scheinitz studirt. Im Collegio sind wenig Veränderungen seit diesen zwey Jahren während ich in Klagenfurt studierte, nehmlich Musick, die das Stift lernen läßt. Jedem ein belibiges Instrument; ich setze die Flöte fort beym Kapelmeister Hrn. Bramesdorfer. Studier-Stunden haben wir täglich in der Früh von 6 bis 7 Uhr; halb elf bis halb 12; von 1 bis ¾ auf 2; von 5 Uhr bis 7 Uhr Abendes. Die übrige Zeit wird zu Musik verwendet, und zum spazieren. Donnerstages u. Sontages, so wie Dienstag Nachmittag; Kost ist sehr gut, zwar dies Monath kein Frühstück, welches erst von Allerheiligen beginnt. Es ist hier bedeutend kalt; wird schon geheizt. Der Herr Gottein; Tunner; Haslmayr, Hödl und der Chiari läßt sich Ihnen höflichst empfehlen. Ich sage nochmahls für Alles Dank und bitte ferner um Ihre Unterstützung. Es ist hier allgemein die Rede, daß der Heinricher Adolph gestorben sey. Die Maria Pucher u. alle herzlich grüßend verbleibe ich
Ihr dankschuldiger Neffe Joseph Lax
Salzburg den 28. Oktober 1843.
Vom hochwürdigen Herrn Präfecten Johann Kapfingen eine Empfehlung
Brief vom 27.03.1844
Josef (II.) aus Salzburg an den
Onkel Josef (I.)
Theuerster Herr Onkel!
Verzeihen, daß ich schon wieder schreibe. Eine Bitte nöthiget mich dazu. Wir werden jetzt unsere Osterferien haben, nehmlich zwölf Tage; wo jeder der nur kann nach Hause oder sonst wohin sich begibt. Einige Kollegianten Tunner, Gottein, reisen in das nahe gelegene Bayern, und nach München. Mit Ihrer gütigsten Erlaubniß möchte ich diese Reise die nur einige Tage währt, mitmachen. – Herr Präfeckt erlaubt uns diesen Ausflug; so auch die Professoren. zu studiren ist wenig, es kann nichts versäumt werden. Daher bitte ich recht sehr mir diese Freude zu gestatten. – Herr Präfeckt ist so gütig, das nothwendige Geld indeßen vorzustrecken. – Wir reisen den 1ten April von hier weg, und den 10ten kommen wir wider zurück.– Ich werde schon sparsam seyn, um nicht zu viel zu verzehren; es ist übrigens im bayerischen nicht theuner, wie man sagt. Ich wünsche Ihnen glückliche Ostern. In Salzburg haben wir gar keinen Schnee mehr, recht freundliches Wetter, etwas Regen aber sehr windig. – Meine Bitte nochmals erneuernd und der Marie und allen herzlich grüßend verbleibe ich
Ihr dankschuldiger Neffe
Joseph Lax
Salzburg 26. März 844
Der folgende Brief vom 15. April 1844 aus Salzburg nach Gmünd berichtet über diese Reise und übermittelt gleichzeitig wertvolle Informationen über eine Reisekostenaufstellung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Theuerster Herr Onkel!
Die Münchner Osterferien-Reise ist nun auch schon vorüber. Ich bin so frey eine kleine Beschreibung davon zu machen. Wir sind mit Erlaubniß der Obern den 1. d. M. Montags um 9 ½ Uhr nach unserer Meße mit einen Lohnkutscher von Salzburg abgefahren: Tenner Raimund, Wallner, Adjenot beym Herrn Tenner in Mauterndorf; und ich. Den Weg nahmen wir über Saalbrücken, Teisendorf, Traunstein und Frabatsheim wo wir übernachteten: Den 2. Über Wasserburg, Ebersperg Steinhöring nach München. Auf Anrath des Herrn Profesor Beda von Salzburg kehrten wir bey der blauen Traube in der Dienersgaße ein; wir kamen Abends um 5 ½ Uhr in München an. Den nächsten nehmlich den 3t. fingen wir an, die Merkwürdigkeiten dieser großen und schönen Stadt zu besehen. Wir begannen bey der [……]
Nachmittag [am 6t] fuhren wir mit der Eisenbahn nach Augsburg. Ganz was neues für uns, wir brauchten 2 ½ Stunden, neun Mahl wird angehalten, fahren aber im ganzen nicht gar am stärksten. Augsburg ist ziemlich groß, wenig merkwürdiges. Den 7. Besichtigten wir in Augsburg, die große Drukerey der allgemeinen Zeitung, wo täglich 10.000 Blätter gedruckt werden. Die Maschinerien gehen alle per Dampf, auch die große Maschine dreht den Bogen ein, und wirft in der entgegengesetzten Seite hinaus; die Maschinen sind die meisten von England. Den nehmlichen Tage, den Ostersonntag kehrten wir wider nach München zurück; es ist 17 Stunden entfernt. […] Mittwoch den 10t fuhren wir wider nach Salzburg denselben Weg und kamen den 11t hier an. – In Bayern ist es sehr theuer überall. Die Reisekosten sind folgende:
Herr Präfeckt war so gütig mir dieses vorzustrecken, beiliegendes Billet von ihm bezeugt es. Unterthänigst bitte ich, ich sehe, daß es viel ist; bitte daher recht sehr so bald als möglich zu schicken
Ihr bittender Neffe
Josef Lax
Salzburg den 15t April 1844
Anmerkung:
*) fu statt fl = Abkürzung für Gulden
**) xr = Abkürzung für Kreuzer
Die Reise des Studenten Josef von Salzburg nach München, Augsburg und zurück umfasste elf Tage, vom 1. bis 11. Mai 1844. Bereits die Hinfahrt von Salzburg nach München erforderte zwei Tage! Diese Entfernung gibt der Briefschreiber mit «17 Stunden Fahrzeit» an. Interessante Informationen vermittelt die Reisekostenaufstellung in Höhe vongesamt 57 Gulden. Es stellt sich die Frage, wie man das so umrechnet, dass es für die Gegenwart einen einigermaßen stimmigen Vergleichswert ergibt. Ein umfangreiches Projekt der Universität Salzburg gibt hier konkrete Hilfestellung. Es handelt sich um einen Kaufkraftrechner für die Stadt Salzburg für die Zeitspanne 1477–2020. Dieser drückt für Salzburg aus, «wie viel man für einen bestimmten Geldbetrag kaufen konnte und wie lange man dafür arbeiten musste».
Für das Jahr 1844 berechnet dieses Programm folgende Vergleichswerte:
1 Gulden = 32,1 kg Roggenbrot oder 3,8 kg Rindfleisch.
1 Gulden in Arbeitszeit eines Taglöhners = 2,2 Tage Arbeit
demnach
57 Gulden = etwa
1.830 kg Roggenbrot,
217 kg Rindfleisch oder
125 Tage Arbeit eines Taglöhners.
Als Ergänzung zu diesem Kaufkraftrechner kann aus einer mit diesem Rechner verlinkten Tabelle noch ein direkter Währungsvergleich zwischen 1844 und 2020 abgelesen werden. Die folgenden Werte entstammen dieser Spezial-Tabelle der Universität Salzburg:
Direktvergleich mit dem Euro für die Kaufkraft 1844 und 2020 für Stadt Salzburg | ||||
Jahr | Währung | 1 kg Brot | 1 kg Fleisch | Taglohn |
1844 | Kreuzer CM = umgangssprachlich „Reichswährung“ 1 Gulden = 60 Kreuzer | 1,87 Kreuzer 0,03 Gulden | 1,31 Kreuzer 0,02 Gulden | 27,16 Kreuzer 0,45 Gulden |
2020 | Euro | 3,25 | 8,50 | 102,56 |
Nun wird es ganz spannend – und fürs Erste unverständlich: Rechnet man nämlich die Kaufkraft-Einheiten für Brot, Fleisch und Taglohn von Gulden auf Euro um, so ergeben sich für 57 Gulden Reisekosten ein Gegenwert von aufgerundet € 5.950 über das Brot, € 1.845 über das Rindfleisch, aber € 12.850 über den Taglöhner-Verdienst. Das Kostenverhältnis zwischen den Grundnahrungsmitteln Brot beziehungsweise Fleisch und Arbeit und dem hier vorliegenden Beispiel von Reisekosten und Unterbringung stellt sich als vollkommen anders als in der Gegenwart dar … Der Taglöhner-Verdienst wurde dem heutigen Mindestlohn gleichgesetzt.
Stellt man diesem Ergebnis des wissenschaftlich äußerst sorgsam erstellten Kaufkraftrechners nun noch dem Historischen Währungsrechner der Österreichischen Nationalbank gegenüber, so landet man für 1844 für Conventionsgulden – oder umgangssprachlich «Reichswährung» – bei € 27,01 für einen Gulden CM. Gemäß dieser sehr einfachen Überschlagsrechnung würde sich diese Reise mit € 1.539 zu Buche schlagen. Durch diese überraschend großen Differenzen zwischen den hier vorgestellten, rechnerischen Zugangswegen bleiben wir demnach vielleicht ein wenig klüger als zuvor, aber beschließen diese Untersuchung trotzdem mit den Worten des damals etwa 20-jährigen Josef II.: «Ich sehe, daß es viel ist». Wie viel nun genau im Vergleich zu heute, konnte auch diese sorgfältige Suche nach einer möglichen Bewertung der Reisekosten nicht exakt bestimmen …

Wenn Sie das nächste Mal über den Friedhof entlang der Stadtmauer spazieren, dann finden Sie eine ganz andere Erinnerung an den Schreiber der hier vorgestellten Briefe aus dem 19. Jahrhundert: Der Efeu-Bewuchs an der Stadtmauer gibt eine erste Orientierung. Die Familie Lax hinterlässt uns auf Josefs Grabstein auch seinen ganz persönlichen Wahlspruch: «Tue recht und scheue niemand».
Brief-Transkription: Siegfried Lagger
Quellenangaben:
Adelsberger, Michael: Kaufkraftrechner Wien. In: 10 Jahre Wien Geschichte Wiki (Wien 2023). Version 18.06.2024. URL: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kaufkraftrechner [17.03.2025].
Bröckel, Eduard / Stöger, Georg (Hrsg.): Erläuterungen zum Kaufkraftrechner: Salzburg 1477–2020. PDF-Datei Version 2, 9/2024. URL: https://www.wohlstandsgeschichte.at/wp-content/uploads/2024/09/kaufkraftrechner_erlaeuterungen.pdf [17.03.2025].
Czeike, Felix: Conventions-Münze. In: Wien Geschichte Wiki: Version 13. September 2023. URL: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Conventions-M%C3%BCnze [17.03.2025].
Österreichische Nationalbank (Hrsg.): Oesterreichische Geldgeschichte. Vom Mittelalter bis zum Euro. Redaktion: Geldmuseum der OeNB. Zweite Fassung, Wien 2020. URL: https://www.oenb.at/Ueber-Uns/Geldmuseum/publikationen/Geschichte-des-Geldes.html [17.03.2025].
Österreichische Nationalbank (Hrsg.): Stabilität und Instabilität von Geldsystemen. Tagungsband zum 7. Österreichischen Numismatikertag. Wien 2018. URL: https://www.oenb.at/Ueber-Uns/Geldmuseum/publikationen.html [17.03.2025].
Österreichische Nationalbank: Historischer Währungsrechner. URL: https://finanzbildung.oenb.at/inhalte/historischer-waehrungsrechner.html [17.03.2025].
Privatarchiv Karl Lax: Original-Briefe handgeschrieben aus 1843/44. In: Historischer Nachlass der Familie Lax Anna und Claudia Paradis, geb. Lax. Stadtarchiv Gmünd: PA Lax, Raum 4, Schachtel 5. Transkription: Siegfried Lagger.
Schiffner, Ludwig: «Geld». In: Systematisches Lehrbuch des österreichischen allgemeinen Civilrechtes. Den allgemeinen Teil enthaltend. Hölder: Wien 1882, Bild 293ff. URL: https://goobi-viewer.univie.ac.at/viewer/fulltext/AC00956713/293/ [17.03.2025].
Stöger, Georg (verantwortlich für den Inhalt): Kaufkraftrechner: Salzburg 1477–2020. Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg (2022/24). URL: https://kaufkraftrechner.wohlstandsgeschichte.at/ [17.03.2025].