Gmünds Schlossgespenster
Reinhard Kager, Millstatt

Gmünds Schlossgespenster

Ein Bericht aus dem Privatarchiv des Gmünder Chronisten Karl Lax

Das Gespenst der Gräfin Salamanca aus dem Schloss Porcia in Spittal kennt beinahe jeder aus der Region. Dass sich aber auch im Gmünder Schloss Spukgeschichten überliefern, weiß kaum jemand. Bewahrt hat diese Geschichten der Gmünder Chronist Karl Lax. Er legte diese Erzählungen in sein Privatarchiv. Eine händische Aufzeichnung trägt mit 23.09.1959 sogar ein Datum. Die Schlossherren gaben diese Geschichten von jeher nur selten zum Besten – und wenn, dann in eng vertrauten Kreisen bei entsprechend redseliger Stimmung, so Karl Lax. Nur ungern sprach man über diese Erlebnisse. Da tauschten sich die Gräfinnen schon etwas bereitwilliger untereinander aus. Zwei von ihnen hielten sich noch zu seinen Lebzeiten in Gmünd auf, nämlich die beiden Gräfinnen Auguste und Maria Lodron.

Fotobestand M. Miklautz
Gräfin Auguste Lodron:
die zweite Gemahlin des letzten Grafen Lodron in Gmünd.

Bei ersterer handelte es sich um Karl Lax‘ Nachbarin: Gräfin Auguste, geb. Helmschmid aus Obereichstätt bei Augsburg, wohnte bis kurz vor ihrem Tode am Hauptplatz Nr. 27 im ersten Stock – in einer Wohnung des ehemaligen Lodron’schen Diensthauses. Sie starb 1974 im St. Antonius-Spital in Gmünd. Gräfin Maria Lodron hielt sich in ihren letzten Lebensjahren regelmäßig in Gmünd auf – zumindest in den Sommermonaten. Mehr über sie ein wenig später. Aber noch 1998/99 hörte man derlei Geschichten von den italienischen Lodron-Schwestern Luisa und Giuseppina bei ihren Besuchen in Gmünd – so Gmünds Lodron-Expertin, Mag. Margarethe Miklautz. Vor allem Giuseppina fesselte damals die Gmünder Schulkinder mit ihren lebendigen Geschichten.

Im Schloss der ehemaligen Fideikommiss-Eigentümer hausten sogar drei Schlossgespenster. Am beharrlichsten zeigte sich ein Ritter. Laut den Überlieferungen hielt er sich ziemlich treu an die traditionelle Gespensterstunde rund um Mitternacht. Die beiden anderen verbanden sich mit genau bestimmbaren Ereignissen. Dabei handelte es sich um ein buckliges Männlein und eine große weiße Frau … Noch im 20. Jahrhundert zeigten sie sich sämtlich den letzten gräflichen Schlossbewohnern. Die weibliche Erscheinung könnte man der Einfachheit halber eine Art «Ahnfrau» nennen, denn sie verknüpfte sich mit der Lebensspanne weiblicher Familienmitglieder.

Eine große weiße Frau

Stadtarchiv Gmünd
Graf Konstantin Lodron

Am 10. Oktober 1875 – um die Mittagsstunde – saß Graf Konstantin Lodron in der Aula. Seine Gemahlin Aloisia, geborene Gräfin von Ugarte, weilte gerade in Wien. Plötzlich huschte eine stattliche weiße Frauengestalt an ihm vorüber in Richtung der Treppe zu den Gemächern seiner Frau. Sofort wollte er ihr Ansinnen stoppen und rief der Erscheinung zu: «Halt! Wer ist da?» Daraufhin verschwand das ätherische Wesen augenblicklich. Bald hernach erreichte ihn die traurige Botschaft, dass Aloisia in Wien verstorben war. Es stellte sich heraus, dass es genau zur selben Stunde geschah, als die unbekannte Besucherin der dritten Art an ihm vorbeihuschte.

Auch seiner Enkeltochter Maria zeigte sich eine weiße, sehr große, hagere weibliche Erscheinung. Und das kam so: Im Sommer des Jahres 1900 plante die damals 30-jährige Gräfin Maria einen Ausflug ins Maltatal zum Pflüglhof. Vor ihren «Landauer», einer vierrädrigen Kutsche mit zwei einander gegenüberliegenden Sitzbänken, spannte man vier junge, erst vor Kurzem neu angekaufte Lippizaner. Gleich nach dem Elbischgerhaus, der ehemaligen Nagelschmiede an der Maltastraße, wurden die jungen Pferde scheu und rannten den Kalvarienberg hinauf. Die Kutsche stürzte um und die Gräfin blieb schwer verletzt auf der Maltastraße liegen.

Ihr treuer Begleiter, ein Schweißhund namens «Tell», hastete winselnd und heulend sofort ins Schloss zurück. Ihr Vater, Graf Karl, war mit einem zweiten Viererzug sogleich unterwegs – man ahnte ihren Unfall. Drei Tage lang lag die Verunglückte bewusstlos im Bett. Als sie das Bewusstsein wiedererlangte, fieberte sie: Am Fuße ihres Bettes erschien ihr nun jene große weiße Frau, angetan mit einem hauchdünnen weißen Schleier und tiefliegenden Augenhöhlen. «Jetzt noch nicht!», teilte diese der Kranken mit, worauf der ganze Spuk auch schon wieder verschwunden war. Gräfin Maria wurde wieder gesund, heiratete Dr. Karl Maria Lodron aus der Himmelberger-Linie (Sekundogenitur) und gebar ihm drei Kinder. Ihr Gemahl verließ sie jedoch wegen einer anderen Frau, die sich unsterblich in ihn verliebt hatte. Deshalb wohnte Maria auch eine Zeitlang im Schloss Lengberg nahe Lienz/Osttirol, das sich damals in ihrem Besitz befand. Zuletzt pendelte sie zwischen Klagenfurt und Gmünd, wo sie während der Sommertage im Pfarrhof Gmünds ein einziges Zimmer bewohnte. Sie starb in Klagenfurt, an die zwei Monate vor ihrem 90. Geburtstag …

Fotobestand M. Miklautz

Ein Ritter aus dem Ahnensaal

Marias Vater, Graf Karl Lodron (Fideikommiss-Eigentümer 1898 bis 1918), wollte im Allgemeinen nicht viel wissen von diesen übersinnlichen Geschichten und lachte gerne über solchen Spuk. Nur wenn er bei besonders guter Laune war, erzählte er in gesellschaftlicher Runde von seinem persönlichen Erlebnis. Zeit seines Lebens konnte er sich dieses nicht erklären. Dabei betonte er jedes Mal, dass er in diesem Momenten bei vollen Sinnen war. In der Regel sprach er aber nur selten und sehr ungern über diesen Vorfall. Marias Vater, Graf Karl Lodron (Fideikommiss-Eigentümer 1898 bis 1918), wollte im Allgemeinen nicht viel wissen von diesen übersinnlichen Geschichten und lachte gerne über solchen Spuk. Nur wenn er bei besonders guter Laune war, erzählte er in gesellschaftlicher Runde von seinem persönlichen Erlebnis der anderen Art. Zeit seines Lebens konnte er sich dieses Ereignis nicht erklären. Dabei betonte er jedes Mal, dass er in diesem Momenten bei vollen Sinnen war. In der Regel sprach er aber nur selten und sehr ungern über diesen Vorfall. Vermutlich war es seine Tochter Maria, die Karl Lax über die folgende Begegnung berichtete:

Es war schon spät in der Nacht. Graf Karl kehrte gerade von einer Gemsenjagd im hinteren Maltatal zurück. Zunächst schloss er sich das Stiegentor im rechtsseitigen Turm auf. Er schritt die Steinstufen der Wendeltreppe hinauf und konnte bereits das obere schmiedeeiserne Gittertor sehen. Plötzlich trat eine hohe Rittergestalt durch das noch verschlossene Tor hervor. Dieses Wesen ging ihm die wenigen Treppenstufen von oben entgegen, blieb dann unbeweglich vor ihm stehen und starrte ihn an. Erst nach wenigen Momenten gewann Graf Karl seine Beherztheit und rief dieser Gestalt zu: «Wer ist da?». Worauf sich der Ritter nach oben wandte und sich ein zweites Mal durch das nach wie vor verschlossene Tor wieder verzog.

Auch einem seiner guten Freunde, General Schöller, zeigte sich dieses Spektakel – und dies nicht nur ein Mal. Der General begleitete Graf Karl immer wieder bei der Maltataler Gemsenjagd. Zu diesen Anlässen übernachtete er regelmäßig in einem Gästezimmer des Schlosses. Aufgrund der nächtlichen Besuche jenes «Ritters» musste aber stets ein gräflicher Jäger ebenfalls im Gästezimmer nächtigen. Das Befremdlichste dabei blieb, dass dieses geharnischte Gespenst jedes Mal durch die verschlossene Tür schritt. Dieser offensichtliche Spuk machte dem ansonsten unerschrockenen Freund doch zu schaffen. Auch er vermied es tunlichst, darüber zu sprechen! Und wenn es einmal vorkam, dann legte er stets Wert darauf, dass er ansonsten keinesfalls dem Aberglauben zugeneigt wäre!

Fotobestand M. Miklautz
Graf Karl Lodron: Fideikommiss-Eigentümer 1898 bis 1918

Lärm im Ahnensaal

Im Dezember 1918 – um die mitternächtliche Stunde – begann es im ersten Stock des Schlosses ziemlich unruhig zu werden: Im Gang der Geweihgalerie, gegen den Ahnensaal hin, war es um die Nachtruhe geschehen. Nicht nur Gräfin Maria, sondern auch ihre Kammerzofe berichteten darüber. Sie hörten beide das schlürfende Gehen mit Klirren von Sporen und Rasseln von Säbeln. Ein Stöhnen begleitete die unheimlichen Geräusche. In der Nacht des 14. Dezembers 1918 entschlief der Vater Marias, Graf Karl Lodron – ganz sanft. Gleichzeitig verschwand jene nächtliche Geräuschkulisse und die nächtliche Ruhe kehrte im Schloss wieder ein …

Stadtarchiv Gmünd
Eine Ansichtskarte aus 1906 mit Neujahrsgrüßen von Carlo Lodron.

Das bucklige Männlein

Immer wenn sich große Besitzveränderungen beim Gmünder Fideikommiss vollzogen, tauchte das bucklige Männlein auf, so wusste es Gräfin Maria. Es stützte sich auf einen Stock und auf seinem Kopfe saß ein breiter schwarzer Hut. Sobald man es ansprach, verschwand es. Zuletzt zeigte es sich im Mai oder Juni 1933 der Gräfin Auguste, Gemahlin des letzten Fideikommiss-Eigentümers, Graf Urban Lodron. Sie war gerade auf dem Wege vom Schlosshof in den ersten Stock über die Stiege im rechten Turm. Wie stets hatte sie ihren Hund dabei. Auf der steinernen Treppe fing er plötzlich an zu knurren: Vor ihr stand – wie aus dem Nichts – der bucklige Zwerg. Mit großen Augen blickte er sie an. Auf ihren Zuruf hin verschwand er sogleich. Hätte der Hund das Männlein nicht laut angeknurrt, so wäre ihr der Eindruck einer Geistestäuschung geblieben … Da sie über Gräfin Maria jedoch bestens informiert war, wusste sie diese Erscheinung sofort einzuordnen.

Ihr Umzug ins ehemalige Lodron’sche Diensthaus erfolgte kurz darauf. Dort bewohnte sie im ersten Stock eine vormals kleine Arztpraxis. Ihr Gemahl Urban blieb in Wien und starb dort 1955 an einer Erkrankung, die die damalige «Bohemien-Gesellschaft» aufgrund ihres Lebensstils gehäuft dahinraffte – in der Regel nach Jahren des Leids. Ihren bescheidenen Lebensunterhalt fristete sie mit Nähen und Sticken, so die Autorin Miklautz in ihrem Buch «Die Lodron des 20. Jahrhunderts». Ihr Gemahl Urban blieb in Wien und starb dort 1955 an einer Erkrankung, die die damalige «Bohemien- Gesellschaft» aufgrund ihres Lebensstils gehäuft dahinraffte – in der Regel nach Jahren des Leids.

Fotobestand M. Miklautz
Die junge, noch unverehelichte Auguste Helmschmid,
spätere Gräfin Auguste Lodron.
Fotobestand M. Miklautz
Graf Urban Lodron: Der letzte Eigentümer des Lodron’schen Fideikommiss‘.
1916 schickte er diese Aufnahme an seine damalige Geliebte Auguste. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich.
Auch die Ehe mit Auguste ging in Brüche.


Mit bestem Dank an Mag. M. Miklautz für die freundliche Genehmigung der Fotoverwendung.

Quellen:

Karl, Lax: Handschriftliche Notiz plus eine mit der Schreibmaschine getippte Aufzeichnung. Stadtarchiv Gmünd, Privatarchiv Lax, Raum 1, noch unsortierter Teil.

Mag. Miklautz, Margarethe: Die Lodron des 20. Jahrhunderts. I Lodron del Novecento. Herausgeber: “Il Chiese” x.c.r.l. Verlag Cooperativa Il Chiese: Storo (Trento) 2001.

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Ulrike Mengeú: Gmünds Schlossgespenster. In: Aus Gmünds vergangenen Tagen, Publikationen Stadtarchiv Gmünd in Kärnten, Juni 2025. Online: ark:/65325/d600qf.

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