Ein im Fachmagazin Nature 2022 veröffentlichter Aufsatz zeigt im Kartenausschnitt Fig. 2a die Katschberg-Störzone (KF; Katschberg normal fault) recht deutlich, die rechtwinkelig auf die Mölltal-Störzone (MF; Mölltal fault) trifft. Im Vergleich zum Friaul bleibt es in der Region trotzdem relativ ruhig. Weiter südlich bewirkt der Druck der Adriatischen Platte, die mit 2-3 mm pro Jahr Richtung Norden drückt, erheblich unruhigere Verhältnisse.
Neben den beiden geläufigsten Erdbeben aus 1690 oder 1348 mit dem Dobratsch-Bergrutsch registrieren sich in den historischen Aufzeichnungen jedoch noch weitere Erdstöße wie derjenige aus 1201. Diesmal beschäftigt eine vollkommen vergessene Bebenserie der Region aus 1792. Zwischen 9. und 27. Jänner ereigneten sich im Liesertal mehr als 30 Beben. Sie waren kaum verklungen, als am 12. Februar der große Stadtbrand in Gmünd die Bürger in eine existenzbedrohende Katastrophe stürzte. Einer der wesentlichsten Gründe dieses Vergessens mag wohl darin liegen, dass durch die ruinöse Katastrophe des 14 Tage später ausgelösten Stadtbrands diese Bebenserie einfach zweitrangig wurde.
In der Grazer Zeitung vom 25. Jänner 1792 erfährt man zunächst von einer schaudervollen Nacht aus dem Katschtal Folgendes: Vier heftige Erdstöße erschütterten in der Nacht vom 9. zum 10. Jänner das Tal. Bereits der erste schien Stühle und Betten zu heben und warf alles nicht befestigte um. Um zwei und um vier Uhr nachts wiederholten sich zwei derartige Erschütterungen mit derselben Stärke, worauf sich das Ganze mit einem vierten, sehr leichten Beben zunächst verzog.
Mehr Details zu diesem Ereignis meldet dieselbe Zeitung am 8. Februar 1792. Sie berichtet, dass der oben erwähnten Nacht zwei Tage anhaltende Sturmwinde vorangingen. Am 9. Januar um 19 Uhr soll sich dieser Sturm ganz plötzlich gelegt haben, worauf um halb zehn Uhr nachts ein gewaltiger Erdstoß die Berge erschütterte. Wenige Augenblicke später folgte ein zweiter, gleich starker Stoß. Bis zwei Uhr morgens sollen sich diese abwechselnd schwächeren und stärkeren Bebenstöße alle halbe bis dreiviertel Stunde wiederholt haben. Um zwei Uhr erschütterte ein besonders heftiger Stoß die gesamte Umgebung der Liesertaler Bergregion. Er war begleitet von furchtbarem Getöse, da er auch Stein und Felsen losriss. Dies war der Beginn einer ganzen Erdbebenserie, die in der Folge ganze neun Tage anhielt. Die dabei auftretenden Stöße kamen plötzlich und verursachten Gebäudeschäden und auch Öfen-Einstürze. Diese Serie endete erst am 26./27. Jänner mit drei, in größeren Abständen erfolgenden Erschütterungen. Am heftigsten spürte man es in Gmünd, Puch, Eisentratten, Nöring und Sommeregg. Schon in Möllbrücke oder in Stall bemerkte man nichts, in Spittal weniger, aber umso mehr im Katschtal. Es schien, als ob sich diese Bebenstöße von Westen nach Osten bewegten.
Der Stadthistoriker Anton Fritz zitiert in seinem Artikel aus April 2010 in den Stadtnachrichten einen Brief von Hieronymus Lodron, der über die in Grund und Boden zusammengebrannten sechs Gebäude des Fideikommiß aufgrund der Feuersbrunst aus 1792 berichtet. Nur in einem Nebensatz erwähnt dort Hieronymus, dass die Gewöllber zwar nicht so vom Feuer betroffen waren, jedoch ganz viele auch von dem Erdbeben ruiniert wurden.
Josef Schmid, der Verfasser der Sammlung über das Volksleben im Lieser- und Maltatal, bezieht sich in seinem Vorwort auf einen Bericht des damaligen Landrichters Laufensteiner. Dieser notierte zunächst einige schwere Erdstöße in der bereits erwähnten Nacht vom 9. auf den 10. Jänner, denen zwölf weitere in den nächsten 24 Stunden folgten. Er erwähnt ebenfalls die beiden besonders heftigen Beben, die nachts aufgetreten waren. Auch er verwies auf weitere Erdstöße in den darauffolgenden zwei Wochen. Zur Einschätzung der Bebenstärke hilft sein Verweis, dass viele Leute so verängstigt waren, dass sie ihre Häuser verließen und in die Stallungen umsiedelten.
Gesammelt und veröffentlicht hat diese Hinweise der ehemalige Nationalparkbetreuer Walter Egger vom Hühnersberg auf seiner Webseite Natur und Wissen. Dort findet man auch eine sorgfältige Zusammenstellung der Quellen. Aufgrund seiner Rücksprache mit zwei österreichischen Erdbebenexperten wird vorerst eine Erdbebenstärke zwischen den Stufen 6 und 7 auf der zwölfteiligen Skala der EMS-98 vermutet. Ein sehr kurzer Hinweis findet sich in der Zusammenstellung der historischen Erdbeben in der Steiermark zwischen 1750 und 1870 bei Hoernes. Ansonsten fehlt diese Erdbebenserie bisher in den Aufzeichnungen zu historischen Erdbeben.
Ich nahm meine Rückreise nach Gmünd, um mein Tagebuch zu ergänzen; hielt mich nicht lange da mehr auf, indem die dasigen Bewohner mit Herstellung der Gebäude beschäftiget sind, denen ich herzlich Unterstützung von edlen Männern wünsche, weil sie so gar sehr herabgekommen sind – doch wie ich von einigen vernahm, so haben sie so manche Unterstützung, und besonders von Salzburg einen reichlichen Beytrag erhalten. Hätte ich Reichtum, so wüßte ich schon, was ich zu thun hätte; allein so habe ich mein Scherflein aus gutem Herzen gegeben – und Sie mein Lieber können sich ja wohl um die leidende Menschheit in Gmünd verdient machen, wenn Sie in unserer volkreichen Vaterstadt, bey ihren zahlreichen Freunden, eine Collekte sammeln – und da ich wahrscheinlich nicht mehr in Cärnthen, sondern vermuthlich in der Schweiz seyn werde, so schicken Sie nur den Ertrag davon an den Postmeister Plazer in Gmünd, der hauptsächlich ruinirt ist.
Bericht eines Zeitzeugen: Briefe über Cärnthen
Salzburger Zeitung: Samstag, 1. September 1792
Dem Team von Geologen und Seismologen, das sowohl den Wörthersee als auch den Millstätter See nach Spuren historischer Beben durchsuchte, hat sich diese Bebenserie nicht offenbart. Derartige Spuren in den Böden der Seen in Form unterseeischer Rutschungen zeigen sich vorwiegend bei entsprechender Erdbebenstärke und ausreichender Nähe des Epizentrums. Zum Beispiel hat sich das Beben aus 1976 ebenfalls nur unmerklich gezeigt. Entdeckt hat man es, weil man das Datum kannte und bewusst danach suchen konnte. Wer sich ansonsten für historische Erdbeben in Österreich interessiert, kann sich in den Publikationen der GeoSphere Austria umsehen.
Literatur
Egger, Walter: Die „vergessenen“ Erdbeben vom Jänner 1792 bei Gmünd in Kärnten, in: naturundwissen.at, Dezember 2012. Online: naturundwissen.at (besucht am 12.11.2023).
Jungnitz, Anton Lorenz: Bezugnahme auf zwei Artikel aus der „Grätzer Zeitung“ vom 25.01. und 08.02.1792, in: Streit/Zimmermann (Hrsg.): Schlesische Provinzialblätter, 15 (Jan.–Juni 1792), S. 359–360. Zitiert nach Egger (2012).
Daxer, C., Huang, JJ.S., Weginger, S. et al.: Validation of seismic hazard curves using a calibrated 14 ka lacustrine record in the Eastern Alps, Austria. Sci Rep 12, 19943 (2022). Online: doi:10.1038/s41598-022-24487-w
Fritz, Anton: Aus Gmünds vergangenen Tagen – 400 Jahre Stadtschloss zu Gmünd. Stadtnachrichten Gmünd in Kärnten, Nr. 1 / April 2010.
Hammerl, Christa: Historische Erdbeben in Kärnten mit besonderer Berücksichtigung des Bebens vom 4. Mai 1201, in: Arbeitstagung der Geologischen Bundesanstalt, 2005, S. 125–128. Online: zobodat.at (besucht am 12.11.2023).
Hoernes, Rudolf: Erdbeben in Steiermark vom Jahre 1750 bis 1870, in: Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark, 39 (1903), S. 157–296. Online: zobodat.at (besucht am 12.11.2023).
Salzburger Zeitung: Briefe über Cärnthen. Ausgabe vom 01. September 1792, S. 554–557. Online: anno.onb.ac.at (besucht am 12.11.2023).
Schmid, Josef: Aus dem Volksleben im Lieser- und Maltatal, 1964. Online: ark:/65325/r204sd.
Alpen: Neue Erkenntnisse über Erdbeben-Geschichte, in: Newsroom Universität Innsbruck, 12.01.2023. Online: uibk.ac.at (besucht am 12.11.2023).